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Ablauf der 5. Initiative

Ablauf der 5. Initiative

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Menschenrechte und Internet: Zugang, Freiheit und Kontrolle

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Isabel Gahren und Matthias C. Kettemann

Die 5. Initiative des Internet & Gesellschaft Co:llaboratory

Ob für chinesische Dissidenten, ägyptische Bloggerinnen oder iranische Protestanten: Das Internet hat sich zu einem entscheidenden Katalysator zur Realisierung von Menschenrechten entwickelt. Aber gleichzeitig können autokratische Regime das Internet nutzen, um Menschenrechte zu verletzen. Wie können Rechte im Netz wirksam geschützt werden? Und gibt es überhaupt ein Recht auf Internetzugang? Diesen und weiteren Fragen hat sich die 5. Initiative des Internet & Gesellschaft Co:llaboratory gewidmet.

Mehr als 30 Expertinnen und Experten untersuchten von Januar bis März 2012, wie sich klassische Menschenrechte auf das Netz übertragen lassen, welchen Beitrag das Internet bei der Durchsetzung von Menschenrechten leisten kann und wie Menschenrechte zur Grundlage der Internet Governance der Zukunft werden können.

Wir organisierten drei große Workshops und regelmäßige Arbeitstreffen, unter anderem in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung, der Friedrich-Naumann-Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung. Dazu haben wir internationale Vordenker zum Thema Internet und Menschenrechte als Gastredner eingeladen: Prof. Dr. Matthias Klang (Universität Göteborg), Marek Tuszynski (Tactical Technology Collective), Prof. Karl Peter Fritzsche (Universität Magdeburg), Owen Pringle (Amnesty International) und Dr. Rikke Frank Jørgensen (Danish Institut for Human Rights, Kopenhagen).

Wir führten Interviews mit UN-Sonderberichterstatter Frank la Rue, Internet-Pionier Vint Cerf, Autorin Rebecca MacKinnon, Oxford-Professor Viktor Mayer-Schönberger und Jermyn Brooks (Global Network Initiative, GNI). Sie alle trugen maßgeblich zum erfolgreichen Ergebnis unserer Initiative bei. Besonders stolz sind wir auch auf unsere Illustrationen. Anna Lena Schiller ist es geglückt, den visuellen und inhaltlichen Kern der Expertenaussagen zu treffen.

Die Initiative war den Menschenrechten und dem Internet gewidmet. Beide Begriffe, Menschenrechte und Internet, wurden dabei weit gefasst. „Menschenrechte“ beinhalten für uns nicht nur die im staatlichen Kontext verfassungsmäßigen Grundrechte, sondern alle international gültigen Menschenrechte, so wie sie von der internationalen Staatengemeinschaft etwa in der Wiener Weltmenschenrechtskonferenz als universell, unteilbar, einander bedingend und sich gegenseitig bekräftigend anerkennt wurden. Das „Internet“ wiederum ist für uns nicht nur ein Netzwerk von Netzwerken, sondern es schließt alle Informations- und Kommunikationstechnologien und ihre Nutzung, die gemeinsam die Informationsgesellschaft zur herrschenden Sozialform machen, mit ein.

Füchse oder Igel
Unsere Expertinnen und Experten der 5. Initiative zu Menschenrechten und Internet mussten sich entscheiden, ob sie Igel sein wollten oder Füchse. Frei nach Isaiah Berlin, einem wichtigen Vordenker von Freiheit, Liberalismus und Wertepluralismus, lassen sich alle großen Theoretiker diesen beiden Tieren zuordnen: „Der Fuchs weiß viele verschiedene Sachen, der Igel aber nur eine große.“ Igel tendieren dazu, die Welt durch das Prisma einer Überzeugung oder eines Problems zu sehen, während Füchse stets für Vielfalt eintreten.

So standen unsere Expertinnen und Experten vor einer ähnlichen Frage: Sollten sie Igel sein, also davon ausgehen und dafür argumentieren, dass Menschenrechte jenes Prisma sein müssen, durch das die Zukunft des Internets analysiert, begriffen und geformt werden soll? Oder wäre der Berlin’sche Ansatz eines Fuchses sinnvoller? Demzufolge wären Menschenrechte (neben etwa Wirtschaft und Sicherheit) nur eines jener Paradigmen, die den Argumentationsraum für die Verhandlung von rechtlichen, politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Fragen der Informationsgesellschaft definieren.

Manches spricht dafür, dass der diversitätsorientierte Ansatz der Füchse Sinn macht: Eine der Kerntugenden und -charakteristika des Internets ist ja seine Vielfalt.

Entscheidend ist aber, und das zeigen die zehn zentralen Thesen dieser Initiative beeindruckend auf, etwas ganz anderes: Keine Form der Regulierung existiert zum Selbstzweck. Jede Norm (sei sie rechtlich oder außerrechtlich) lässt sich zurückführen auf höherrangige Normen, die wiederum in letzter Instanz nur ein Ziel haben können, wenn sie legitim sein sollen: den Schutz des Menschen, seiner Würde, seiner Menschenrechte.

Das galt offline. Das gilt online.

Grenzen überschreiten
Dieses Bekenntnis ist klar. Die Details wurden in der Initiative kritisch verhandelt und – dies mag überraschen – übersetzt. Denn die acht thematischen Arbeitsgruppen, die sich aus 32 Experten mit verschiedensten Hintergründen zusammensetzten, wurden nicht nur durch die fachlichen Beiträge der einzelnen Teilnehmer getragen, sondern auch durch die Interdisziplinarität.

Menschenrechtler trafen auf Techniker, die die jeweilige Sprache des anderen erst erlernen mussten. Politikwissenschaftler, Juristen, Soziologen und Historiker nahmen sich der Frage an, wie die Zukunft der Internet Governance aussehen wird, und riefen die transnationale Republik der „Noosphere“ aus. Journalisten und Netztechniker definierten die wichtigsten Akteure des Netzes und ihre Beziehungen zueinander. Philosophen erörterten die Legitimität von Widerstand im Netz und kürten die Hacker-Community zur Ursuppe der neuen Retiarii Amici Curiae (der Netzkämpfer als Freunde des Gerichts).

Juristen bestätigten, dass das Recht auf Internetzugang als Menschenrecht aus dem Grundgesetz abgeleitet werden kann. Überhaupt: Im Netz bestehen, das haben unsere Experten gezeigt, viel weniger menschenrechtliche Schutzlücken als imaginiert.

Aktivisten und Politologen untersuchten die Rolle von Social Media als Informations- und Mobilisierungswerkzeug für die Menschenrechte und tauchten in Lateinamerika und Südostasien ein, um herauszufinden, welche Erfahrungen Menschen in Entwicklungsländern machen. Statements und Videos von Bloggern aus der ganzen Welt bereicherten die Initiative um die globale Perspektive, wie das Internet Menschen in ihren Ländern helfen kann, Menschenrechte durchzusetzen und den Schutz dieser zu gewährleisten.

Anregungen, keine Antworten
Die Videos der Blogger sind ebenso wie die vertiefende Lektüre der einzelnen Arbeitsgruppen online zu finden. Denn mit dieser Initiative vollzieht das Internet & Gesellschaft Co:llaboratory einen wichtigen Schritt ins Digitale. Der gedruckte Bericht stellt eine „Momentaufnahme“ der Expertenarbeit dar, zu der multimediale Ergänzungen sowie weiterführende Inhalte und Diskussionen online verfügbar sind. Dazu haben wir die Co:Base entworfen, die neue Diskussions-, Publikations- und Wissensplattform des Co:llaboratory. Alle Inhalte dieses gedruckten Berichts, aber auch mehr zum Thema und zum Co:llaboratory allgemein finden Sie unter www.collaboratory.de.

Wir laden Sie zum Kommentieren und Ergänzen unserer Überlegungen ein. Vielleicht finden Sie ja Interesse daran, selbst Initiativen ins Leben zu rufen oder als Mitglieder einer Arbeitsgruppe zusammen mit anderen Experten die Ideen dieses Berichts aufzugreifen und weiterzuentwickeln.

Mit der Veröffentlichung dieses Bandes ist unsere Initiative noch lange nicht zu Ende. Wir werden die Co:Base mit Inhalten füllen und sie weiterentwickeln. Das Expertenpotenzial, das wir für diese Initiative sammeln konnten, wird für die Debatten um Internetrecht und Internetpolitik, wie wir sie verstärkt führen werden, von zentraler Bedeutung sein.

Das Internet hat die Möglichkeiten des Menschen, seine universellen Rechte als Bürger wahrzunehmen, radikal verändert. Doch diese neuen demokratischen Rechte sind keine Selbstverständlichkeit wie aktuelle Beispiele zeigen. Arabischer Frühling und SOPA, Twitter und ACTA: Die Diskussion um den Schutz der Menschenrechte ist dringender denn je. Auch das hat die 5. Initiative des Internet & Gesellschaft Co:llaboratory gezeigt.

Auf den nächsten Seiten finden Sie nicht nur Antworten, sondern vor allem Anregungen zum Denken und Weiterdenken über die Zukunft der Menschenrechte und ihres Schutzes im Internet.

Wir freuen uns, wenn Sie diese Einladung annehmen.

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Die Experten und das Team der 5. Initiative
Autor
Sherry Basta
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