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Location-based Learning

Location-based Learning

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Marcus Paeschke, Christoph Pardey, Daniel Seitz

Im Kontext der Co:Lab-Initiative hat eine kleine Expertengruppe Möglichkeiten eines Location-based-Learning-Angebotes ausgelotet. Ziel war es, potenziellen Bedarf auszumachen, vergleichbare Angebote auf Nutzbarkeit für die Bildungsarbeit zu prüfen und einen Prototypen zu konzipieren.

Was ist Location-based Learning? – Eine Begriffsklärung

Location-based Learning ist ein Sammelbegriff für Lernformen, Lernszenarien, Dienstleistungen, Services und Software, die Lerninhalte in Beziehung zum aktuellen Aufenthaltsort des Lernenden stellen. Die meisten der vorhandenen Konzepte und Projekte lassen sich mit großer Mehrheit in eine der folgenden drei Kategorien einordnen:

a) GPS-geführte Lernpfade: Ähnlich dem Geocaching werden GPS-Geräte zur Orientierung entlang eines Lernpfades eingesetzt. Die Idee der Schnitzeljagd wird hier mit moderner Technik umgesetzt, sodass sich beispielsweise Kinder und Jugendliche leichter begeistern lassen. Die Pfade gehen oft von Station zu Station und an jeder Station gibt es etwas zu entdecken oder eine Aufgabe zu lösen. GPS-Bildungsrouten können in jeder Umgebung, egal ob in der Natur oder Stadt, erstellt werden. Sie lassen sich auf das jeweilige Ziel und die Zielgruppe zuschneiden (vgl. Seitz 2011). Um einen GPS-Lernpfad zu erstellen, ist es am besten, den Pfad selbst mit einem GPS- Gerät abzugehen oder abzufahren und die einzelnen Stationen mit dem Gerät aufzuzeichnen. Beispiele, in denen GPS-Pfade zu Bildungszwecken eingesetzt werden, finden sich z.B. beim Forschungsprojekt zu mobilen Medien in der Umweltbildung mobi-LU oder bei den Edunauten.

b) Lokalisierte Informationen (z.B. ist jede ortsgebundene Information auf Wikipedia georeferenziert) und Augmented Reality: Hier werden der aktuelle Aufenthaltsort und ggf. weitere Informationen wie z.B. die Blickrichtung eines Nutzers (mittels Kompass und Sensoren) ausgewertet, um standortbezogene Informationen darzustellen. Je nach Verfügbarkeit und Qualität der Informationen kann mit einer solchen Anwendung schnell eine Lernsituation entstehen, in der der Anwender etwas über die Geschichte des Ortes und z.B. der Gebäude in seiner Umgebung erfährt. Mit entsprechender redaktioneller Aufbereitung oder einer moderierten Nutzung einer solchen Anwendung lassen sich an bestimmten Orten sehr engagierte Lernszenarios entwickeln, wie z.B. das Projekt „Surfing the Streets“ in Berlin darstellt (vgl. Lange 2012).

c) Mit fortschreitender Entwicklung und zukünftigen Algorithmen zur Objekterkennung werden Szenerien denkbar, in denen jedes reale Objekt online mit Informationen über dieses Objekt, seine Geschichte, Herstellungsprozess, Besitzer und Anwendungsmöglichkeiten verknüpft ist. Es gibt bereits viele Beispiele, die auf diese Technik setzen, von einer AR-Version der Wikipedia: Nearest Wiki und Layar (Projektbeispiel), wo man sich die Berliner Mauer realistisch ins aktuelle Straßenbild versetzt anschauen kann.

d) Informationen über Bildungsangebote in der Umgebung: Anhand der aktuellen Position des Anwenders werden traditionelle Bildungsangebote, Lernorte und Events in der unmittelbaren Umgebung des Nutzers gefunden und präsentiert. Hier geht es vor allem um das Entdecken und Besuchen von Bildungsangeboten, die im Umfeld des Nutzers bereits vorhanden sind. Im Gegensatz zu den ersten drei Kategorien müssen keine neuen Lernformate oder Lernszenarios entwickelt werden, stattdessen erschließen sich bestehende Angebote für mobile Nutzer. Es gibt bisher jedoch keine Suchmaschine und keine Datenbank, die eine solche ortsabhängige Ermittlung von Bildungsangeboten mit hoher Treffsicherheit, Aktualität und Relevanz zur Verfügung stellt.

Eine Vielzahl von Ideen und Formaten gehören im weitesten Sinne zu dem Begriff Location-based Learning. Für die Expertengruppe hat sich gezeigt, dass gerade die neuartigen Lernformate mit GPS-Lernpfaden und lokalisierten Informationen bereits von vielen Projekten und Firmen erforscht und entwickelt werden, während die traditionellen Bildungsanbieter bisher wenig unternommen haben, um sich bei einer zunehmend mobilen Zielgruppe präsent zu zeigen und sich so neue Interessenten und mehr Publikumsverkehr zu erschließen.

Spielerisch lernen mit Location-based Services

Location-based Learning bietet dem Anwender eine neue Art und Weise, seine unmittelbare Umgebung zu erfahren. Dabei findet er über sein GPS-Gerät Zugang zu Lernorten, gebündelt auf einer Karte dargestellt und in der Nähe zu seinem aktuellen Aufenthaltsort. In erster Linie ist das Ziel von Location-based Learning vergleichbar mit einer neutralen Informationsvermittlung, insbesondere für eine Zielgruppe, für die die Digitalisierung selbstverständlich ist und die mit großer Mehrheit ständige Erreichbarkeit als normal empfindet (vgl. Schnitzer 2012).

Warum aber kann die Anreicherung mit Spielelementen den Erfolg der Wissens- vermittlung steigern, die Motivation zur Nutzung erhöhen und die Verbreitung der Anwendung fördern?
Die Anwendung spieltypischer Elemente und Prozesse in spielfremdem Kontext wird seit einigen Jahren mit dem Begriff Gamification beschrieben. Auch wenn das Spielen als Grundmotiv der Menschen eine lange Geschichte hat, etablierte sich erst in jüngerer Vergangenheit dieser Begriff. Im Fall von Location-based Learning wird erst durch die Verbindung mit einem Spiel oder mit Spielelementen die Zielerreichung für den Anwender emotional wichtig: „Gaming as psyching out how rules can be used for one’s advantage to accomplish goals to which one is personally and emotionally attached.“ (Gee 2009)

Die emotionale Aktivierung, die beim Spielen ausgelöst wird, birgt im Fall der Erreichung von Lernzielen einen besonderen Vorteil: Die Lerninhalte werden dauerhaft und tief im Gehirn verankert: „Das Gehirn speichert die Informationen immer zusammen mit den Emotionen. Deswegen vergessen wir immer und immer die binomischen Formeln, aber niemals unseren ersten Kuss.“ (Roth 2012)

Es gibt eine Vielzahl verschiedener Möglichkeiten, Spielelemente in spielfremde Anwendungen zu integrieren. Sei es über Auszeichnungen im Nutzerprofil (quantitative wie qualitative Zielerreichung, z.B. durch die beliebten „Badges“), Gratifikationen (innerhalb der Anwendung oder zur Offineverwendung) oder kompetitive Ansätze (Wettbewerb mit Mitspielern).

Eine Location-based-Learning-Anwendung profitiert von all diesen Ansätzen.

Durch den direkten Bezug zum Aufenthaltsort des Anwenders und die digitale Form der Anwendung können weitere Spieler im Umfeld ausgemacht werden. Es folgen die Empfehlung eines Lernorts, die gemeinsame Nutzung eines Lernorts oder es findet ein Wettbewerb zum Wissensstand über den jeweiligen Lernort direkt und unmittelbar in der Anwendung statt.

Durch Spielansätze entstehen neue Inhalte, also Lernorte, wenn die Markierung von Lernorten bzw. der Upload von Lernverweisen durch die User belohnt wird; sei es durch Gratifikationen, Auszeichnungen oder den Wunsch des Users nach Ansehen in der Nutzergemeinschaft.

Des Weiteren kann die Verbreitung der Anwendung stetig gesteigert werden, nutzt man die sich bietenden viralen Effekte durch eine enge Verzahnung mit Social Networks. Innerhalb der Nutzergemeinschaft erhöht sich die Motivation, die Anwendung zu nutzen – zahlreiche Forschungsergebnisse weisen darauf hin, das Handlungen Jugendlicher in sozialen Netzwerken stark durch die Reflexion und Anregung ihrer Peergroup beeinflusst sind (vgl. Wagner/Brüggen 2013). In den Social Networks werden außerdem stets potenziell neue Nutzer angesprochen, z.B. durch Statusmeldungen und deren Teilen/Weiterleitung. Die Erschließung neuer Zielgruppen hat dementsprechend hohen Stellenwert bei Innovatoren mobiler Lernangebote (vgl. Lude et al. 2013).

Doch auch in der klassischen Wissensvermittlung eines Lehrers an seine Schüler lassen sich die Spielelemente der Location-based-Learning-Anwendung integrieren. Wie in der Begriffsklärung unter dem Stichwort GPS-geführte Lernpfade erläutert, kann hier die Entdeckung zusammenhängender Lernorte zu einem Spiel werden. Die Kreide wird durch GPS-Geräte ersetzt und eine moderne, digitale Form der Schnitzeljagd beginnt. Wissen wird dort erworben und angewandt, wo es Relevanz hat: vor Ort.

Alle diese Konzepte haben dasselbe Ziel: Die Nutzungsintensität der Anwendung steigt, Lerninhalte verfestigen sich stärker und der Anwender merkt, dass Lernen einfach Spaß macht.

Verbindung von Location-based Services mit Bildungsinhalten

Dieser Abschnitt bezieht sich vor allem auf die bereits beschriebene Kategorie C von ortsbezogenen Anwendungen, welche Informationen über Bildungsangebote in der Umgebung des Nutzers zusammenfassen und anzeigen.

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Stichprobe: Die Kategorie „Bildung“ vermisst man bei mobilen Apps zur Umgebungssuche

Location-based Services sind dann besonders attraktiv, wenn sie auf eine qualitativ hochwertige und eine quantitativ umfangreiche Datenbasis zurückgreifen können. Finden potenzielle Nutzer für ihre unmittelbare Umgebung keine passenden Informationen, werden sie den Service bzw. die Anwendung schnell wieder verwerfen. Die größten Anbieter von ortsbezogenen Informationen im Internet sind derzeit Facebook, Google, Foursquare und Qype. All diese Anbieter haben Apps für Smartphones, welche den aktuellen Standort des Nutzers verwenden, um relevante Ergebnisse in der Umgebung zu finden. Darüber hinaus gibt es eigenständige Apps, wie z.B. Around Me, die ebenfalls eine Umgebungssuche anbieten. Keine dieser Apps verfügt jedoch über eine eigene Kategorie für Orte mit Bezug zum Thema Bildung oder Lernen. Eine gezielte Suche nach Bildungsangeboten ist derzeit nicht möglich.

Eine Besonderheit bei Location-based Services ist, dass die Ergebnisse nicht nur örtlich, sondern auch zeitlich eine hohe Relevanz aufweisen sollten. Die Nutzung von mobilen Geräten ist durch das Hier und Jetzt geprägt, und so gehört zu den frustrierendsten Erfahrungen, wenn man sich auf den Weg zu einem nahe gelegenen Ort gemacht hat, nur um festzustellen, dass dort heute oder gerade jetzt geschlossen ist.

Für Bildungsangebote sollten daher nicht nur die Bildungsstätten georeferenziert werden, sondern auch die Bildungsangebote mit entsprechenden Zeiten und Zugangsvoraussetzungen (Anmeldung, Preise etc.) erfasst werden. Das ist bei den großen Anbietern von Ortsdaten jedoch derzeit nicht möglich. Auch eine umfangreiche Datenbasis lässt also für den zeitpunktbezogenen Verwendungszweck wichtige Informationen vermissen. Die Notwendigkeit der Verbindung von Qualität mit Quantität der Daten wird hier besonders deutlich. Google Now verweist hier auf die nahe Zukunft orts- und zeitrelevanter Informationen.

Die händische Pflege und regelmäßige Aktualisierung der entsprechenden Datensätze auf mehreren Plattformen ist weder für Bildungseinrichtungen noch für die Datenanbieter redaktionell zu leisten. Die Expertengruppe sieht hier großes Potenzial für eine softwarebasierte Lösung, welche die Veröffentlichung und Verbreitung von räumlich-zeitlichen Informationen über Bildungsveranstaltungen in einem standardisierten Format ermöglicht. Ein solches Format zum Datenaustausch, kombiniert mit einfach zu bedienenden Anwendungen und ausgelegt für die einfache Integration in bestehende Systeme, würde die Bildungseinrichtungen in die Lage versetzen, hochqualitative Daten über ihre Angebote einfach zu publizieren, während Suchmaschinen und Datenbanken diese Formate aggregieren und dann quantitativ umfangreiche Informationen über einen entsprechenden Dienst zur Verfügung stellen können.

Was braucht man dafür?

Notwendig ist ein Datenformat, welches ein Bildungsangebot (Titel, Beschreibung, Zielgruppe, Zugangsvoraussetzungen, Preis) und entsprechende Geoinformationen (Latitude, Longitude, Ortsbezeichnung) sowie zeitliche Informationen (Datum, Uhrzeit und Dauer der Veranstaltung) miteinander verknüpft. Dieses Format sollte für Menschen und Maschinen lesbar sein und sich leicht in bestehende Dokumentformate (z.B. HTML) integrieren lassen.

Tatsächlich gibt es bereits ein Format, das diese Anforderungen weitestgehend erfüllt und daher als erster Vorschlag herhalten soll: das iCalendar-Format.
Das iCal-Format erfüllt eine Reihe von Voraussetzungen, welche die Nutzung begünstigen: Hat man ein geeignetes Format, braucht es Software zum Erstellen und Verwal- ten der entsprechenden Datensätze. Eine einfache Referenz-Implementierung zur Demonstration würde im ersten Schritt genügen, da die entsprechenden Funktionen später in andere Softwareprojekte integriert werden können. Diese Software, die bei den Bildungsanbietern eingesetzt würde, sollte auch das Veröffentlichen der Daten übernehmen können, beispielsweise indem die Termine auf der eigenen Webseite zur Verfügung gestellt oder an die Datenbank eines Sammeldienstes übertragen werden.

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Prototypische Darstellung von „grünen Lernorten“ in Berlin

Wenn die Bildungsträger ihre Veranstaltungen und Daten in einem einheitlichen Format und mit entsprechend offener Lizenz online bringen, kann sich ein entsprechendes Ökosystem aus Serviceanbietern entwickeln, die diese Daten aggregieren und den Anwendern komfortabel zur Verfügung stellen.

Die Bildungsanbieter profitieren von besserer Sichtbarkeit und einer höheren Anzahl von Nutzern, während die Nutzer bessere Informationen schneller erhalten. Die technischen Komponenten lassen sich mittlerweile alle mit Open-Source-Software und vergleichsweise geringem Entwicklungsaufwand abbilden. Lediglich die entsprechende Unterstützung bei den Bildungsanbietern müsste gesichert und ein gutes Servicekonzept erarbeitet werden.

Das Konzept wird von der Expertengruppe weiterverfolgt und unter lbl.medialepfade.de laufend dokumentiert. Diskussionen, weitere Ideen und Engagement sind sehr willkommen!

Quellen:

Gee, James Paul (2009): Theories and Mechanisms – Serious Games for Learning. URL: http://www.jamespaulgee.com/sites/default/files/pub/Ritterfeld_C005.pdf, Stand 08.03.2013.

Lange, Michael (2012): Augmented Reality Handyrallye. Surfing the Streets. In: Rösch, Eike/ Demmler, Kathrin/Jäcklein-Kreis, Elisabeth/Albers-Heinemann, Tobias (Hrsg.): Medienpädagogik Praxis Handbuch. Grundlage, Anregungen und Konzepte für Aktive Medienarbeit. München: kopaed Verlag, 2012, S. 214–217.

Lude, Armin/Schaal, Steffen/Bullinger, Marcel/Bleck, Sebastian (2013): Mobiles, ortsbezogenes Lernen in der Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Hohengehren: Schneider Verlag.

Roth, Gerhard (2012): Serious Game Energetika liefert wertvolle Anregungen für das Arbeitgebermarketing. URL: http://blog.recrutainment.de/2012/02/09/serious-game-energetika-liefert-wertvolle-anregungen-fur-das-arbeitgebermarketing/, Stand 08.03.2013.

Seitz, Daniel (2011): Mobile Spielformen und soziale Netzwerkgemeinschaften. In: Winter, And- rea (Hrsg.): Spielen und Erleben mit digitalen Medien: Pädagogische Konzepte und praktische Anleitungen. München: Ernst-Reinhardt-Verlag, S. 62–81.

Schnetzer, Simon (2012): Junge Deutsche 2012/13. Zwischenstand 20.10.2012. URL: http://jungedeutsche.de/ergebnisse/, Stand: 11.03.2013.

Wagner, Ulrike/Brüggen, Niels (Hrsg.) (2013): Teilen, vernetzen, liken. Jugend zwischen Eigensinn und Anpassung im Social Web. BLM-Schriftenreihe Band 101. Baden-Baden: Nomos.


Location based learning von Marcus Paeschke, Christoph Pardey, Daniel Seitz steht unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.


Weitere Informationen zur Initiative "Lernen in der digitalen Gesellschaft – offen, vernetzt, integrativ".

Autor
Kristin Narr
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