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Neue Medien in der Pädagogik – Herausforderungen für eine nachhaltige Mediengrundbildung für pädagogische Fachkräfte

Neue Medien in der Pädagogik – Herausforderungen für eine nachhaltige Mediengrundbildung für pädagogische Fachkräfte

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Die umfangreiche Materialsammlung der Expertengruppe unter Mediengrundbildung für pädagogische Fachkräfte

Franziska Buschhaus, Katja Friedrich, Ilka Goetz, Lea Schulz, Daniel Staemmler, Günter Thiele

„Wirklichkeit ist heute nicht nur vielfältig durch Medien vermittelt, sondern wird von Medien mitdefiniert. Eine Pädagogik ohne Berücksichtigung von Medien ist daher praktisch nicht möglich.“ (Hoffmann 2010, S. 50)

Für ein erfolgreiches Lernen und Arbeiten mit digitalen Medien und für die aktive Mitgestaltung der digitalen Gesellschaft wird eine solide Medienkompetenz benötigt. Diese entwickelt sich nicht von allein und auch nicht durch eine hohe Nutzungshäufigkeit von Medien, vielmehr braucht es dafür vor allem an den verschiedenen Bildungsorten adäquate Lernszenarien und Handlungsfelder, in denen Lernende ihre Medienkompetenz entwickeln können. Grundvoraussetzung dafür bildet die optimale Ausbildung derjenigen Fachkräfte, die an diesen Bildungsorten tätig sind.

Seit die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) 1995 anerkannt hat, „dass sich die Medienwelt als eigenständige ‚Erzie- hungs- und Bildungswelt‘ entwickelt, auf die besonders die Schule als klassisches System organisierter Bildung antworten muss“ (BLK 1995, S. 5), wurden zahlreiche Projekte, Modellversuche, Konzeptentwicklungen und Ausstattungsinitiativen durch- geführt und schulische Rahmenpläne mehrfach überarbeitet. Alle verfolgten das Ziel, Medienbildung im schulischen Kontext zu stärken. Die Initiative „Keine Bildung ohne Medien!“ (KBoM) musste 2011 jedoch feststellen, dass „eine breitenwirksame und nachhaltige Förderung von Medienkompetenz und Medienbildung [...] noch nicht erreicht werden konnte.“ (2011a, S. 4). Insbesondere fehlt es an Nachhaltig- keit und Breitenwirksamkeit wegen ungeeigneter struktureller und organisatorischer Rahmenbedingungen sowie mangelnder personeller und finanzieller Ressourcen in den Bildungseinrichtungen. Vor allem die medienbildnerischen Kompetenzen der Lehrenden werden von KBoM als mangelhaft eingeschätzt. Die Expertengruppe „Mediengrundbildung für pädagogische Fachkräfte“ der Initiative „Lernen in der digitalen Gesellschaft“ hat sich daher intensiv mit der Notwendigkeit einer Mediengrundbildung beschäftigt und empfiehlt als wesentlichen Schritt zur Verbesserung dieser Situation, die „Grundbildung Medien für pädagogische Fachkräfte“ besonders zu fokussieren. Die Expertengruppe schließt sich damit der Einschätzung von KBoM an und verweist zur Fundierung und Differenzierung der Forderung auf den seit mehreren Jahren geführten Fachdiskurs (vgl. GMK 1999, Six und Gimmler 2007, BMBF 2010, KMK 2012, Expertinnen und Experten des Dialogs über Deutschlands Zukunft 2012).

Im Rahmen der Initiative hat die Expertengruppe sechs Dimensionen erarbeitet, die in der Aus- und Weiterbildung pädagogischer Fachkräfte Berücksichtigung finden müssen. Diese werden im Folgenden nicht nur vorgestellt, sondern zudem durch ausgewählte Beispiele aus der Praxis illustriert, um die Vielschichtigkeit und den vielfältigen Handlungsbedarf in diesem Themenfeld widerzuspiegeln. Abschließend werden Handlungsempfehlungen formuliert, die sowohl zur Neuentwicklung als auch zur Weiterentwicklung bestehender Formate in der Aus- und Fortbildung pädagogischer Fachkräfte herangezogen werden können.


Dimensionen der Mediengrundbildung – Bisherige Erkenntnisse

Ein Großteil der Definitionen zur Medienkompetenz bezieht sich auf die Sprachtheorie von Noam Chomsky oder den Begriff der kommunikativen Kompetenz nach Jürgen Habermas (vgl. Hugger 2008, S. 93), der von Dieter Baacke (1996) auf medienbezogene Kontexte übertragen wurde. Medienkompetenz kann damit verstanden werden als

„[...] systemische Ausdifferenzierung kommunikativer Kompetenz [...], weil [sie] die permanenten Veränderungen der Kommunikationsstrukturen durch ‚technisch-industrielle Vorkehrungen und Erweiterungen‘ betont, in denen wir uns kommunikativ-handelnd auch mit Medien ausdrücken (müssen).“ (Hugger 2008, S. 93 f.)

Dieser Einschätzung folgt auch das Modell der Medienkompetenz von Tulodziecki (1997), das für die schulische Medienbildung grundlegend ist. Tulodziecki versteht unter Medienkompetenz die Fähigkeit, das eigene Handeln mit Medien „sachgerecht“, „selbstbestimmt“, „kreativ“ und „sozial verantwortlich“ ausüben zu können. Ein umfassend verstandener Medienkompetenzbegriff stellt eine zentrale Basis für die Skizzierung einer nicht nur differenzierten, sondern vor allem auch nachhaltigen medienpädagogischen Grundbildung dar. Dazu benennt er die folgenden Teildimensionen der Medienkompetenz:

  1. Auswählen und Nutzen pädagogischer Angebote
  2. Gestalten und Verbreiten von eigenen Medienbeiträgen
  3. Verstehen und Bewerten von Mediengestaltung
  4. Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflüssen
  5. Durchschauen und Beurteilen von Bedingungen der Medienproduktion und Medienverbreitung

Im Fokus der Lehrerbildung analysiert Blömeke (2000) Ansätze zur Medienkompe- tenz und medienpädagogischen Kompetenz und schlussfolgert fünf Teilkompetenzen:

  1. Kernbereich: Mediendidaktische Kompetenz = Fähigkeit zur reflektierten Verwendung von Medien sowie Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) in geeigneten Lehr- und Lernformen und deren Weiterentwicklung
  2. Kernbereich: Medienerzieherische Kompetenz, als Fähigkeit Medienthemen im Sinne pädagogischer Leitideen behandeln zu können
  3. Sozialisationsbezogene Kompetenz im Medienzusammenhang, als Fähigkeit zur konstruktiven Berücksichtigung der Lernvoraussetzungen der Schüler/-innen
  4. Teilkompetenz der Schulentwicklungskompetenz im Medienzusammenhang, als Fähigkeit zur innovativen Gestaltung der Rahmenbedingungen medienpädagogischen Handelns in der Schule
  5. Basiskompetenz (für alle Bürger/-innen; Erwerb vor Studium) als eigene Medienkompetenz

Blömeke verdeutlicht so die komplexen Facetten, die mit der Nutzung digitaler Medien zum Lehren und Lernen verbunden sind. Bereits hier wie auch in künftigen Publikationen (vgl. z.B. Tulodziecki und Herzig 2002, BMBF 2010) wird sichtbar, dass ein differenziertes Verständnis von Medienkompetenz und damit einer medienpädagogischen Grundbildung über die Vermittlung reiner Handhabungsstrategien und der Kenntnis von Funktionsweisen moderner Technologien hinausgeht. Dabei erscheint das in jüngeren Publikationen (z.B. Niesyto 2008) stärker hervorgehobene Moment der reflexiven Auseinandersetzung mit eigenen Medienerfahrungen auf Seiten der Pädagogen als besonders wichtig.

Auf Basis der bisherigen Untersuchungen und Erkenntnisse wurden durch die Expertengruppe die folgenden sechs Dimensionen einer medienpädagogischen Grundbildung als notwendige Inhalte für eine umfassende Aus- und Fortbildung pädagogischer Fachkräfte identifiziert (vgl. Abb. 1), deren Auswahl im zweiten Kapitel begründet wird.

Mediengrundbildung – Was gehört dazu?

Diese sechs Dimensionen bilden gemeinsam ein dichtes und komplexes Anforderungsprofil für pädagogische Fachkräfte. Jede Dimension für sich erfordert Wissen, Fertigkeiten und Kritikvermögen in Auseinandersetzung mit Ausprägungen der Nut- zung digitaler Medien. Um diese Anforderungen – auch mit Blick auf die Gestaltung von Aus-, Fort- und Weiterbildungsangeboten – einschätzen und umsetzen zu kön- nen, sollen sie nachstehend ausführlicher vorgestellt werden. Der Kompetenzbereich „eigene Anwendungskompetenz von verschiedenen Medien oder digitalen Kommu- nikationsformen“ wurde nicht in das Dimensionenmodell aufgenommen. Dies wird von allen Experten als notwendig beschrieben (vgl. Aufenanger 1997, Groeben 2002, Schorb 2005). Da die konkrete Ausformung sehr stark dem technologischen Wandel unterliegt, hat sich die Expertengruppe entschieden, die eigene Medienkompetenz der Lehrenden als Grundvoraussetzung einer Grundbildung im Bereich der Medien zu betrachten.

Reflexive Auseinandersetzung mit eigenen Medienerfahrungen und den Medienwelten von unterschiedlichen Alters- und Bevölkerungsgruppen

Differenzen und Missverständnisse im Mediennutzungsverhalten zwischen Erwach- senen und der jüngeren Generation bestanden immer und werden immer bestehen. Um dennoch den Zugang zu den Adressaten in einem pädagogischen und erzieherischen Dialog zu bekommen, verweist die neuere erziehungswissenschaftliche Literatur explizit auf die dafür notwendige reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen Medienerfahrung. Diese ermöglicht es als emotionale Brücke, Verständnis und damit Diskursfähigkeit mit Kindern und Jugendlichen herzustellen. So betont Norbert Neuss (2008) vehement, dass die Reflexion der eigenen Bildungs-, Lern- und Medienbiografie eine wichtige Voraussetzung für pädagogische Fachkräfte ist und auf dieser Basis ein Zugang zu Kindern und Jugendlichen in Fragen der Medienerziehung und -bildung entsteht.

Sechs Dimensionen einer Mediengrundbildung für pädagogische Fachkräfte

Horst Niesyto (2008, S. 8) fordert bezüglich der universitären Ausbildung

„[...], dass Lehramtsstudierende sich (selbst)reflexiv mit der eigenen Mediennutzung und Medienbiographie auseinandersetzen, eigene mediale Präferenzen, Nutzungsbedürfnisse und Praktiken hinterfragen und die medialen Präferenzen, Nutzungsbedürfnisse und Praktiken der Kinder und Jugendlichen kennen lernen.“

Hierzu müssen auch Lernprozesse und Vermittlungsformen in den Blick genommen werden. Will man lernwirksam lebensgeschichtlich erworbene, emotional besetzte Erfahrungen und damit verbundene Einstellungen thematisieren, sind Vorlesungen und die gängigen kognitiv orientierten Großseminare ungeeignet. Stattdessen müssen personennahe Lernsituationen in Kleingruppen ermöglicht werden, in denen solche Erfahrungen und die damit verbundenen Wertvorstellungen in relativ angstarmer Atmosphäre artikuliert und der Reflexion zugänglich gemacht werden können. Hierfür muss ein ausreichendes Zeitkontingent zur Verfügung stehen.
Mittlerweile wird die kritisch-reflexive Dimension der Medienkompetenz nahezu von allen Autoren, die sich aktuell mit Medienkompetenzdefinitionen beschäftigen, in ihre Modelle integriert (vgl. Aufenanger und Lucca 2007, S. 22).

Fähigkeiten zur Förderung von Kompetenzen, um digitale Medien für Selbstausdruck, Kommunikation, Lernen und die Artikulation eigener Interessen aktiv nutzen zu können

Um Lernende in ihrem Prozess des Medienkompetenzerwerbs begleiten zu können, bedeutet dies für pädagogische Fachkräfte wiederum die Entwicklung von Kompe- tenzen auf zwei Ebenen: einerseits die Fähigkeit zur Identifizierung und Reflexion von Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler (vgl. Blömeke 2000, S. 326) sowie von relevanten Bildungsaufgaben hinsichtlich von Medien und Informationstechnologien (vgl. Tulodziecki und Herzig 2002, S. 191). Durch die Kompetenz zur Identifikation ebensolcher Bedürfnisse können lebensweltorientierte sowie authentische Bezüge aufgegriffen und als Kommunikationsanlässe genutzt werden. Darüber hinaus bedarf es andererseits mediendidaktischer und medienerzieherischer Kompetenzen, um die Heranwachsenden in ihren Lern- und Bildungsprozessen anleiten und begleiten zu können. Das heißt, dass Pädagogen Medien und Informationstechnologien sinnvoll und zielführend auswählen und innerhalb unterschiedlicher Lernarrangements einsetzen können (mediendidaktische Kompetenz) sowie die Fertigkeiten, Medienthemen (d.h. beispielsweise Themen, die das Mediensystem oder den Jugendmedienschutz betreffen) im Sinne einer lernerorientierten pädagogischen Gestaltung thematisieren und umsetzen zu können (medienerzieherische Kompetenz; vgl. Blömeke 2002, BMBF 2010).

Fähigkeit zur Förderung von Informationskompetenz

Wurde die Informationskompetenz noch vor wenigen Jahren als notwendige Fähigkeit zum Umgang mit Informationen in Bibliotheken eingeordnet, hat diese in der Nutzung des Internets als Zugangsort zu Informationen und Wissen enorm an Bedeutung gewonnen. Maßgeblich war es die OECD, die im Zusammenhang mit der Entwicklung der Wissensgesellschaft auf die Bedeutung der Informationskompetenz für das „Verständnis von Optionen, Meinungsbildung, Entscheidungsfindung und informier- tes sowie verantwortungsbewusstes Handeln“ (OECD 2005, S. 13) hingewiesen hat. Wenn Lernende in die Lage versetzt werden sollen, im Sinne der „Information Literacy“ die verschiedenen Stufen kompetent wahrzunehmen (Informationsbedarf erkennen und beschreiben – suchen und finden – beurteilen und auswählen – organisieren – präsentieren – Arbeitsprozesse reflektieren; vgl. Wagner 2009, S. 6 ff.), setzt dies bei den pädagogischen Fachkräften eine hohe Kompetenz im eigenen Umgang mit den unterschiedlichsten Informationsangeboten voraus. Dabei sei insbesondere auf die Selbsteinschätzung und Reflexion eigener Strategien und Wege zur Informationsbeschaffung und -weiterverarbeitung hingewiesen.

Die Informationskompetenz in ihrer Unterteilung aus Rezipienten- und Emittentensicht (Informationen an andere weitergeben) beinhaltet ebenso das Wissen um Such- und Rechercheprozesse im Netz, die Möglichkeiten des Arbeitens mit themen- spezifischen Datenbanken, über die Potenziale des Arbeitens mit Wikis (z.B. anhand und mit Wikipedia) und den Einblick in den gesellschaftlichen und fachlichen Diskurs. „Wie finden Informationen im Netz zu ihren Rezipienten?“ oder aber „Welche Rolle spielen Suchmaschinen oder Social Communities für das (unberechtigte?) Filtern von Informationen?“ sind für den gesellschaftlichen Diskurs relevant und erfordern einen kritischen und reflektierten Blick der pädagogischen Fachkräfte.

Wissen zum Jugendmedienschutz, zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung und zur aktuellen Diskussion um Urheberrechte

Pädagogische Fachkräfte benötigen an den verschiedenen Bildungsorten ein solides und praxisbezogenes Wissen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen, in denen sich Mediennutzung gleich welcher Art vollzieht, und zu den mit der Informations-, Wissens- und Mediengesellschaft verbundenen Aspekten. Hier steht zunächst das System des gesetzlichen Kinder- und Jugendmedienschutzes mit der Wechsel- wirkung zum erzieherischen Kinder- und Jugendmedienschutz im Fokus. Dabei gehören traditionelle Einrichtungen wie Sendezeitschienen, Altersfreigaben und Jugendschutzprogramme ebenso zum notwendigen Fachwissen wie die Kenntnis der deutlich diffzileren Situation beim Schutz vor beeinträchtigenden Inhalten im Internet.
Weitere wichtige Themenfelder stellen Persönlichkeitsrecht und Datenschutz sowie das damit verbundene Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das vielen jungen und erwachsenen Adressaten nicht bekannt ist, dar. Mit eingeschlossen sind die Regeln des Selbstschutzes, die es im Kontext sozialer Netzwerke anzuwenden gilt. Als ein wichtiger Baustein in diesem Kompetenzfeld sind empirische Befunde zum aktuellen Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen einzuschätzen. Zu diesem Kompetenzfeld zählen ebenfalls die jeweils aktuellen Risiken für junge Mediennutzer, z.B. durch Cybermobbing, Kinderpornografie, gewaltverherrlichende Darstellungen, Rechtsextremismus oder Suchtpotenziale einzelner Anwendungen. Fachkräfte benötigen dieses Wissen nicht nur im Sinne einer Kenntnis der Rah- menbedingungen für ihre Gestaltung des pädagogischen Alltags, sondern sie werden in der Zusammenarbeit mit Eltern und Familien dieses Wissen zielgrup- pengerecht anwenden und beratend einsetzen müssen. Zumindest aus diesem Grund ist es notwendig, ein Grundwissen zu aktuellen Fragen der Entwicklung von Medien und Gesellschaft und zum Diskurs um diese Aspekte zu besitzen.

Wissen zur Medienentwicklung und ihre gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Dimensionen

Trotz der rasanten Entwicklung der digitalen Medienwelten ist es von Bedeutung, dass Fachkräfte über Kenntnisse zur Geschichte der Medien und ihrer Meilensteine verfügen und die Relevanz für gesellschaftliche Entwicklung einordnen können. Darüber hinaus wird Wissen zur veränderten Rolle der Medien in der Gesellschaft als Informations-, Unterhaltungs- oder Identitätsbildungsinstrument benötigt. Welche Rolle spielen Medien für gesellschaftliche Entwicklungen? Sind sie Katalysator oder Stolperstein? Welche Macht und Wirkung können sie entfalten? Lernende als Teil der Gesellschaft sollten sich anhand ihres Grundwissens zu diesen Fragen eine reflektierte Meinung bilden können. Pädagogische Fachkräfte haben hier eine hohe Verantwortung, junge Menschen in ihrer Entwicklung zu mündigen Bürgern, die die Gesellschaft mitgestalten und Verantwortung übernehmen, zu unterstützen. Der Diskurs um die Möglichkeiten der digitalen Medienwelten hat in den vergangenen Jahren an enormer Bedeutung gewonnen, weil die technischen Entwicklungen völlig neue Partizipations- und Gestaltungsräume ermöglichen.
Weiterhin muss der Abschätzung und Einordnung von Medienentwicklungen und Trends Wichtigkeit beigemessen werden. Was kommt in vier bis acht Jahren auf den Markt und worauf müssen Kinder und Jugendliche heute vorbereitet werden? Hinzu kommt die Fähigkeit, Bedingungen der Medienproduktion und Medienverbreitung durchschauen und beurteilen zu können (vgl. Tulodziecki 1997). Die Frage nach wirtschaftlichen Interessen und Finanzierungsmodellen, die hinter der jeweiligen Technologie stehen, wird leider in vielen Medienbildungskontexten oft zu wenig gestellt.


Fähigkeit, medienpädagogische Themen mit dem jeweiligen Fachstudium, der entsprechenden Fachdidaktik und den beruflichen Praxisanforderungen zu verknüpfen

Betrachtet man die sechste Dimension, sind zunächst grundsätzlich Analyse-, Reflexions- und in deren Folge Transferleistungen gefordert. Sie stellen die notwendigen Voraussetzungen dar, um unterschiedliche medienpädagogische Themen unter mediendidaktischen Gesichtspunkten in die jeweiligen fachspezifischen Kontexte und Fachanwendungen übersetzen und integrieren zu können. Zentrale Orientierung ist dabei die Annahme, dass Medienkompetenz nicht losgelöst von Inhalten und Anforderungen der übrigen Fachwissenschaften – und somit letztendlich losgelöst von lebensweltlichen Inhalten – vermittelt werden kann. Eine nachhaltige Kompetenzförderung meint vielmehr, solche inhaltlichen Verschränkungen aufzuzeigen und Informations- und Kommunikationstechnologien zum Lernen und Lehren ausgewählt und sinnvoll in den jeweiligen Fächern einzusetzen.

Zusätzlich müssen diese Kompetenzen durch Wissen und Verständnis darüber ergänzt werden, dass vor allem die neuen digitalen Kommunikationsformen andere Formen des Lernens und Arbeitens nach sich ziehen. Im Kontext von Schule und institutionalisierter Bildung bedeutet dies, tradierte Rollenbilder und Lehrmodelle zu reflektieren bzw. zu überarbeiten sowie neue methodische Zugänge zu ergründen. Hierbei gilt es außerdem, das sich ändernde Verhältnis von informellem zu formel- lem Lernen zu verstehen und für die eigene Lehr-Lern-Praxis nutzbar zu machen (vgl. Seufert 2012).


Beispiele aus der Praxis

Dieses Kapitel stellt verschiedene Good-Practice-Beispiele aus der Aus- und Fortbildung für pädagogische Fachkräfte vor. Aus zeitlichen Gründen ist dieser Auswahl keine systematische und umfassende Recherche vorausgegangen. Die Autoren haben Beispiele aus Hochschulen, aus Berufsfachschulen, aus Schulen, Studienseminaren und aus außerschulischen Fortbildungseinrichtungen ausgewählt. Insgesamt werden sieben Maßnahmen zur Mediengrundbildung von pädagogischen Fachkräften vorgestellt und mit den von der Expertengruppe entwickelten „sechs Dimensionen der Mediengrundbildung“ in Beziehung gesetzt. Zum einen kann mit dieser „Checkliste“ überprüft werden, ob u.U. wichtige Aspekte in den einzelnen Projekten nicht vorhanden sind. Zum anderen kann dieser Abgleich darüber Aufschluss geben, ob die sechs Kategorien schlüssig sind oder ggf. einer zukünftigen Überarbeitung unter- zogen werden sollten.

Ausbildung pädagogischer Fachkräfte an Universitäten

Fort- und Weiterbildung für Lehrer/innen und Referendar/innen

Berufsbegleitende Fortbildung in der außerschulischen Bildung


Zusammenfassung und Ausblick

Die Beschäftigung mit der notwendigen Mediengrundbildung für pädagogische Fachkräfte hat gezeigt, dass in der Vergangenheit die Bedeutung qualifizierten Per- sonals in der Medienbildung zwar beständig formuliert wurde, bislang jedoch die Rahmung durch die Benennung verpflichtender Dimensionen fehlte. Dies wurde durch die Expertengruppe der Initiative angestrebt. Der Rahmen der hier aufgezeigten Dimensionen muss nun in Zukunft weiter diskutiert und konkretisiert werden.

Der Kompetenzrahmen erwies sich als solides Arbeitsinstrument in der Einschätzung unterschiedlicher Praxisbeispiele (vgl. Kapitel 3). Anhand der Kategorien wird der Entwicklungsbedarf für die Profilierung von Weiterbildungen deutlich, Neuentwicklungen können anhand der Dimensionen möglicherweise rascher rea- lisiert werden. Mit Blick auf die hier vorgestellten Beispiele aus der Praxis fällt auf, dass die Kategorie „Fähigkeit zur Förderung von Informationskompetenz“ in den untersuchten Praxisbeispielen nicht sichtbar geworden ist, das Thema „Wissen zur wirtschaftlichen Dimension von Medienentwicklung“ erscheint nur am Rand. Die Ursache kann natürlich in der Auswahl der Praxisprojekte liegen, vermutlich gibt es Bildungsangebote, die diese Aspekte sehr wohl beinhalten. Da diesen beiden Themen jedoch in der aktuellen technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung eine immer größere Bedeutung zukommt, verweist die Expertengruppe noch einmal mit Nachdruck darauf, dass sie unbedingt Eingang in den Grundkanon Medienbildung für pädagogische Fachkräfte finden sollten.

Natürlich war es der Arbeitsgruppe nicht möglich, eine systematische Studie von vorhandenen Praxisbeispielen zur Mediengrundbildung vorzunehmen. Hier wäre es wünschenswert, dass der Iststand wissenschaftlich erhoben wird, um Handlungsbedarf und eklatante Lücken im Angebot besser identifizieren zu können.

Aber auch ohne eine solche umfassende Bestandsaufnahme lässt sich zusammenfassend konstatieren, dass ein signifikanter Ausbau der (Fort-)Bildungsmaßnahmen erforderlich ist, um den pädagogischen Fachkräften eine adäquate Profilierung ihrer Profession zu ermöglichen und sie bei der Gestaltung der Medienbildung in Schule, Kita und Jugendarbeit zu unterstützen. Medienbildung darf kein Add-on der außer- schulischen Kinder- und Jugendarbeit sein, sondern muss in institutionalisierten Lehr- und Lernzusammenhängen nachhaltig verankert werden. Der Fachdiskurs wird über diese Expertengruppe hinaus fortgeführt und auch an anderen Stellen realisiert, so u.a. mit dem Fokus der Lehrerausbildung in der für 2014 von Niesyto und Imort geplanten Publikation zum Stand der Mediengrundbildung an den Hochschulen in Deutschland.

Materialien zum Weiterlesen Mediengrundbildung für pädagogische Fachkräfte

  • Tabellarische Übersicht über die Dimensionen und ihre Bezüge
  • Ein Medien-Quiz mit Augenzwinkern
  • Gesamter Artikel mit weiteren Beispielen

Literaturverzeichnis

  • Aufenanger, S. (1997). Medienpädagogik und Medienkompetenz – Eine Bestandsaufnahme. In Deutscher Bundestag (Hrsg.): Medienkompetenz im Informationszeitalter. Enquete-Kommission `Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft. Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft (S. 15 – 22). Bonn.
  • Blömeke, S. (2000). Medienpädagogische Kompetenz. Theoretische und empirische Fundierung eines zentralen Elements der Lehrerausbildung. München: kopaed.
  • Bundesministerium für Bildung und Forschung (2010): Kompetenzen in einer digital geprägten Kultur. Medienbildung für die Persönlichkeitsentwicklung, für die gesellschaftliche Teilhabe und für die Entwicklung von Ausbildungs- und Erwerbsfähigkeit, Bericht der Expertenkommission des BMBF zur Medienbildung. URL: http://www.bmbf.de/pub/kompetenzen_in_digitaler_kultur.pdf, Stand: 09.02.2013.
  • Moser (2003). Von der Medienkompetenz zur Medienbildung. In: Medienkompetenz und Medienleistung in der Informationsgesellschaft. Tagung der SGKM und der Fachgruppe Medienpädagogik der DGPuK vom 11./12. April 2003. Zürich, S. 26 – 35.
  • Seufert, S. (2012). Die digitale Revolution und die Evolution des Lehrens. Folio, Nr. 2012.04, 36-38.
  • Tulodziecki, G. & Herzig, B. (2002). Computer & Internet im Unterricht. Berlin: Cornelsen Scriptor.


Weitere Informationen zur Initiative "Lernen in der digitalen Gesellschaft – offen, vernetzt, integrativ".

Autor
Kristin Narr
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